SPD-Kreistagsfraktion stellt Fragenkatalog an den Landrat in Cloppenburg – Durchimpfungsquote von 68 Prozent im Landkreis Cloppenburg erscheint deutlich zu niedrig
Die SPD-Kreistagsfraktion möchte durch diese Anfrage keine Ängste schüren, aber wir müssen als aufmerksame Beobachterin nicht nur durch Nachrichten in den Medien und über Presseberichte erkennen, dass in den letzten Jahren in Niedersachsen neben den vereinzelt auftretenden Masernfällen auch Masernausbrüche vorkommen. Im Bereich Leer/Emden waren bereits im Jahr 2002 die Masernausbrüche nicht harmlos, sondern bedrohten die körperliche und geistige Gesundheit von vielen Kindern. Damals hatte das Ausbruchsgeschehen im Landkreis Leer schon 2001 seinen Ursprung. Es wurden damals 80 Masernfälle gemeldet, im Jahre 2002 stieg die Zahl dann auf 438 Fälle. Das war über die Hälfte der niedersächsischen Masernfälle (51,3 %). Von Leer aus verbreiteten sich die Masern rasant nach Norden in die Stadt Emden und den LK Aurich, sowie nach Süden in die Landkreise Emsland und Cloppenburg aus. Als Grund wurde die niedrige Durchimpfungsquote unter 60 % benannt, wobei eine Epidemie nur bei einer Durchimpfungsquote von 95 % auszuschließen ist. Davon ist der Landkreis Cloppenburg immer noch entfernt, doch die Impfungen sind nach unserem Kenntnisstand wohl ansteigend. Das ist auch mehr als notwendig, um die Bedrohung auf die Kindergesundheit zu dezimieren.
In der aktuellen Ausgabe des Ärzteblattes vom 09.04.2019 wird Masern in Europa und in den Vereinigten Staaten als deutlich auf den Vormarsch beschrieben. Daher ist eine Impfpflicht auch in Deutschland derzeit in der politischen Debatte, in Italien und Frankreich beispielsweise gibt es sie schon.
Für bestimmte Teile des New Yorker Stadtviertels Brooklyn wurde nun ein Notstand ausgerufen. In bestimmten Postleitzahlbezirken müssen sich nicht geimpfte Bewohnerinnen und Bewohner impfen lassen, andernfalls drohen Geldstrafen. Seit Oktober 2018 wurden 285 Fälle von Masern in den New Yorker Stadtteilen Brooklyn und Queens registriert. 2017 waren es insgesamt nur zwei Fälle. Dazu kommen fast 200 Fälle in Landkreisen weiter im Norden des Staates New York. Der Landkreis Rockland County hatte bereits vor zwei Wochen wegen eines Masernausbruchs einen 30-tägigen Notstand ausgerufen. Nicht geimpfte Kinder müssen sich damit von öffentlichen Orten fernhalten. New Yorks Bürgermeister Bill de Blasio hat einen Notstand für Teile des Stadtviertels Brooklyn ausgerufen. Jeder, der in bestimmten Teilen des Viertels Williamsburg lebe, müsse sich gegen Masern impfen lassen, sagte de Blasio am letzten Dienstag bei einer Pressekonferenz. Ansonsten drohten Strafen von bis zu 1.000 Dollar (etwa 890 Euro).
Es werden nach unserer Einschätzung viele Kinder vermeidbaren und unnötigen Gefahren ausgesetzt, nur weil einige Eltern ein falsches Verständnis von Immunabwehr haben. Oftmals sind es aber auch Fehlinformationen und mangelnde Beratung, die zu diesem Verhalten führen. Es geht konkret um „MMR“, also Masern, Mumps und Röteln.
Viele Eltern beziehen sich auf die sogenannte Wakefield Studie, in dem ein britischer Arzt 1998 einen Zusammenhang zwischen der MMR Impfung und Autismus herstellte. Diese Informationen haben sich „festgesetzt“, obwohl Wakefield die mangelhafte Studie zurückziehen musste und er mittlerweile sogar einem Berufsverbot unterliegt. Eine groß angelegte neuere Studie aus Dänemark widerlegt die Wakefieldaussagen. Ein Team um Dr. Anders Hviid vom Statens-Serum-Institut in Kopenhagen hatte die Daten von allen Kindern in Dänemark, die zwischen 1999 und 2010 geboren wurden, analysiert. Die mehr als 657.000 Kinder wurden ab dem Alter von einem Jahr bis insgesamt August 2013 beobachtet. In diesem Zeitraum erhielten 6.517 Kinder eine Autismus-Diagnose. Geimpfte Kinder hatten im Vergleich zu nicht geimpften Kindern kein erhöhtes Risiko. Das galt auch für Kinder mit erhöhtem Risiko, etwa durch familiäre Vorbelastung. Autismus wurde auch nicht gehäuft zu einem bestimmten Zeitpunkt nach der Impfung diagnostiziert. Dieser Untersuchung schließt sich eine Reihe von Studien aus verschiedenen Ländern an, die zu dem gleichen Ergebnis gekommen sind.
Mit Erschrecken haben wir davon Kenntnis bekommen, dass die Impfquote im Landkreis Cloppenburg aktuell lediglich bei 68 Prozent liegen soll. Dieser Wert scheint uns auch als Durchimpfungsquote sehr niedrig zu sein, um hier einen hohen Krankheitsschub verhindern und ausschließen zu können.
In diesem Zusammenhang erbitten wir uns aktuelle Auskünfte über den Stand von Erkrankungen und die jeweilige Höhe von Durchimpfungsquoten (nicht nur bei Kindern im Einschulungsalter) neben Masern in den Krankheitsbildern Poliomyelitis, Tetanus, Diphtherie, Pertussis, Haemophilus influenzae Typ b, Hepatitis B, Mumps, Röteln, Varizellen.
Dazu haben wir folgende Fragen:
- In Niedersachsen, insbesondere Hildesheim betreffend, sollen wir eine steigende Zahl von an Masern Erkrankten haben. Wie viele Krankheitsfälle hatten wir in den letzten fünf Jahren im Landkreis Cloppenburg?
- Wenn wir Krankheitsfälle hatten, wie wurde darauf reagiert?
- Gibt es seitens des Landkreises Cloppenburg und/oder Gesundheitsamt Kontrolle von Impfausweisen, zumindest bei Kindern?
- Wie hoch ist die aktuelle Durchimpfungsquote im Landkreis Cloppenburg? Hierzu erbitten wir eine Aufstellung rückwirkend der letzten fünf Jahre.
- Wie hoch waren die durchschnittlichen MMR-Impfquoten bei der letzten Schuleingangsuntersuchung?
- Gibt es hinsichtlich der Daten zu den Fragen 4 und 5 signifikante Unterschiede, insbesondere bei der Impfquote in den einzelnen Städten und Gemeinden des Landkreises?
- Werden präventive Maßnahmen durch den Landkreis Cloppenburg und/oder Gesundheitsamt durchgeführt, um auch besonders die Durchimpfungsquote im Bereich der Kinder zu erhöhen?
- Gibt es andere unterstützende und/oder anreizende Maßnahmen, um die Cloppenburger Bevölkerung zur Durchführung der Impfung zu bewegen?
- Gibt es seitens des Landkreises Cloppenburg Erklärungsansätze, warum wir eine nachlassende Impfbereitschaft feststellen müssen?
- Gibt es seitens des Landkreises Cloppenburg Überlegungen, im Falle eines akuten Masernausbruchs den Besuch von Schulen und Kindertagesstätten für nicht geimpfte Kinder zu untersagen.